Blume des Jahres 2021 - der Große Wiesenknopf

von Prof. Dr. Martin Kraft

MIO – Marburger Institut für Ornithologie und Ökologie e.V.

Die „Loki Schmidt Stiftung“ hat den Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) als Blume des Jahres ausgewählt. Damit wurde eine Pflanze bestimmt, mit der ich bereits in meiner Kindheit bekannt wurde. Damals verfügten wir noch in weiten Bereichen des Marburger Lahntals und Stedebachtals nahe meinem Heimatort Niederwalgern in Mittelhessen über ausgedehnte Bestände des Großen Wiesenkopfs. Zumeist stand er an den feuchten Stellen, die mein Opa früher immer als „Saure Wiesen“ bezeichnete, aber auch an etwas trockeneren Standorten. In der Nähe gab es auch große Kiebitzkolonien, die inzwischen leider längst verloschen sind, weil ein Großteil der Wiesen trockengelegt wurde. 

Heute finden sich im Stedebachtal leider nur noch wenige Restbestände des Großen Wiesenknopfs, aber im Lahntal breitet er sich wegen der dort in weiten Bereichen biologischen Landwirtschaft mit eher extensiver Beweidung durch Rinder an vielen Stellen wieder aus. Der Wiesenknopf gehört zu den Rosengewächsen und blüht etwa von Anfang/Mitte Juni bis mindestens Mitte September. Seine knopfartigen Blüten mit der überwiegend schönen weinroten Farbe locken nicht nur viele Insekten an, sondern auch einige Finken, allen voran der Stieglitz, der sich an den Blüten und Früchten oft in großen Schwärmen labt. Pro Pflanze finden sich etwa 20 bis 40 Einzelblüten und manche werden bis etwa 120 cm hoch. Die natürlichen Feuchtwiesen und extensiv genutzten Grünländereien gehören bei uns zu den artenreichsten Lebensräumen überhaupt, weshalb sie unbedingt schützenswert sind. 

Dort, wo sie immer weniger werden, sollte man durch entsprechende Maßnahmen dafür sorgen, dass sich der Große Wiesenknopf wieder ausbreiten kann. Zu den wichtigsten Insekten, die auf den Großen Wiesenknopf angewiesen sind, gehören der „Helle und der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling“. Nach der Eiablage ernähren sich die Raupen von den Blütenknöpfen und fressen diese von innen her auf. 

Später lassen sie sich zu Boden fallen und werden von einigen Ameisenarten in deren Bau getragen. Dort leben die Raupen räuberisch von den Eiern der Ameisen und deren Larven. Die Raupen der Wiesenknopf-Ameisenbläulinge können den Nestgeruch der Ameisen annehmen und zudem sondern sie ein zuckerhaltiges Sekret ab, welches den Ameisen wiederum als Nahrung dient. Deshalb werden die Raupen dieser Schmetterlinge von den Ameisen gehegt und gepflegt. Sie überwintern als Raupe im Ameisenbau und verpuppen sich im Frühling. 

Nach der Verpuppung müssen die adulten Falter den Bau rasch verlassen, weil sie nun nicht mehr getarnt sind, sondern als potenzielle Beute der Ameisen dienen könnten. Der hoch interessante Kreislauf, den wir als Symbiose bezeichnen, kann dann wieder neu beginnen.

An diesem Beispiel sehen wir, dass der Große Wiesenknopf nicht nur ein Zeiger für feuchte und artenreiche Blumenwiesen ist, sondern auch noch als Futterpflanze für die Wiesenknopf-Ameisenbläulinge dient, deren Raupen sehr wichtig für die Garten- und Rasenameisen sind. Da diese Erdhaufen der Ameisen mancherorts in großer Zahl vorkommen, werden diese auch von Grün- und Grauspechten sowie dem Wendehals aufgesucht, weil sich diese Spechtarten gern von Ameisen, deren Larven und Puppen ernähren.

Feuchte Blumenwiesen und ähnliche Lebensräume verfügen also über vielseitige Beziehungsgefüge und Wechselwirkungen, die enorm wichtig für die gesamte biologische Vielfalt sind. Diese können wir uns selbstverständlich auch in unsere Gärten holen, indem wir den Wiesenknopf, aber auch andere Blumen sowie einheimische Bäume und Sträucher anpflanzen, an deren Entwicklung wir uns direkt vor der Haustür erfreuen können!

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