Steckbrief Stieglitz

Nahaufnahme eines Stieglitz Nahaufnahme eines Stieglitz

Der Stieglitz ist ein schlanker Fink und kleiner als der Haussperling. Auffallend ist sein schwarz-weisser Kopf mit roter Gesichtsmaske. Sein Rücken ist braun, Bürzel weiss, Flügel schwarz mit breiter gelber Binde. Die Jungvögel besitzen keine charakteristische Kopfzeichnung.

Lateinischer Name Carduelis carduelis
Größe 12-13 cm
Habitat Der Stieglitz brütet in offenen Wäldern, Alleen, Parkanlagen und in Vorstädten. Nach der Brutzeit sind sie im Schwarm auf Beerensträuchern und Disteln an Wegrändern und Brachland zu sehen. Der Stieglitz ist ein Zugvogel.
Nest Das Weibchen baut ein dichtes, filziges Nest aus (Pappel)-Samenwolle, Moos und Gras in den äusseren Zweigen einer Baumkrone.
Brutzeit Brutzeit: Mai-August, 2 Gelege.
Nahrung Der Stieglitz frisst allerlei Sämereien, hauptsächlich aber Distelsamen. Während der Brutzeit besteht seine Nahrung auch aus Insekten - besonders den Blattläusen.
Klang Er heißt so, wie er singt: 'stieglitt'. Sein Gesang ist schnell, jedoch leise zwitschernd.
Charakteristische Merkmale

Das ungewöhnlich bunte Federkleid. Im Flug ist sein auffallend breiter Flügelstreifen zu sehen.

Trivia
  • wegen seiner Vorliebe zu Distelsamen wird er auch Distelfink genannt
  • der Stieglitz wurde vom Deutschen Naturschutzbund zum Vogel des Jahres 2016 gewählt

Vogel des Jahres 2016

Ein Bericht von Prof. Dr. Martin Kraft (Marburger Institut für Ornithologie & Ökologie e.V.)

Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) haben den Stieglitz zum Vogel des Jahres 2016 gewählt. Der wegen seiner Vorliebe für Distelsamen auch Distelfink genannte Stieglitz (dieser Name leitet sich vom Kontaktruf „stiglitt“ ab) gehört zu den Vogelarten, mit denen ich groß geworden bin. Als diese Art bewusst in mein Leben trat, weil ein Paar sein kleines, rundes Nest in einem Kirschbaum direkt vor unserem Haus angelegt hatte, dachte ich zunächst an einen exotischen Vogel, denn der bunte Stieglitz gehört ohne Zweifel zu unseren buntesten Vertretern der Singvögel.

Männchen und Weibchen sehen nahezu gleich aus, aber wenn man sie aus der Nähe sieht, zeigen die Männchen eine etwas ausgedehnter rot gefärbte Gesichtsmaske und etwas breiter weiß gefärbte Schirmfederspitzen. Der neben der roten Maske schwarz-weiße Kopf, die gelbe und vor allem im Flug sehr auffällige Flügelbinde verleihen dem Stieglitz in Kombination mit den bräunlichen Brustflecken, dem braunen Rücken, dem weißen Bürzel und schwarzen Schwanz mit weißen Flecken ein recht exotisches Aussehen. Der namensgebende Kontaktruf „stiglitt“ wird auch in den Gesang eingeflochten, der hin und wieder auch vom Weibchen vorgetragen wird.

Der Stieglitz kommt in fast ganz Europa (außer Mittel- und Nordskandinavien), Nordafrika und Vorderasien bis weit nach Russland vor und bewohnt alle möglichen Lebensräume. Bei uns kommt er eher selten in lichten Wäldern oder an Waldrändern vor, häufig dagegen in urbanen Lebensräumen wie auf Friedhöfen, in Parkanlagen, auf Industriebrachen, in Steinbrüchen, Feldgehölzen, auf Streuobstwiesen, in Obstplantagen und Alleen sowie in reich strukturierten Gärten vor. Als eher die Wärme liebender Vogel fehlt er auch in sonnendurchfluteten Brachflächen und Weinbergen nicht. Leider hat der Stieglitz in vielen Kulturlandschaften Mitteleuropas im Bestand stark abgenommen, zeigt aber lokal auch merkliche Zunahmen. Die Abnahmen im offenen Kulturland haben vor allem mit der intensiven Landwirtschaft und dem damit einhergehenden Lebensraumverlust zu tun, denn weite Teile unserer mitteleuropäischen Kulturlandschaft zeigen ausgedehnte Mais-, Getreide- und Rapsmonokulturen, in denen bunte Wiesen und insektenreiche Brachflächen immer mehr zurückgedrängt werden. Derartige Veränderungen der Landschaft findet man zunehmend auch in einigen Mittelmeerländern. Hinzu kommt die unsägliche Jagd, vor allem im Süden Europas, sowie illegaler Fang von Österreich über Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland bis nach Nordafrika.

Im Raum Marburg haben wir ein Projekt vor, welches die Biodiversität deutlich fördern soll, sodass wieder mehr Brachflächen mit bunter Blumenpracht und vielen Kleinlebewesen entstehen, in denen sich zunehmend Wachteln, Rebhühner, Feldlerchen, Neuntöter, Braun- und Schwarzkehlchen, Steinschmätzer, Stieglitze, Bluthänflinge, Grauammern und Ortolane ansiedeln, um nur einige Arten zu nennen! Glücklicherweise verfügen wir über ein paar EU-Vogelschutzgebiete, in denen die biologische Landwirtschaft deutlich zugenommen hat. Da finden sich blumenreiche Wiesen, Hanf-, Saubohnen- und Sonnenblumenfelder ebenso wie lückig bewachsene Brachflächen mit Disteln und Löwenzahn, die gerne von Stieglitzen und vielen anderen Vogelarten aufgesucht werden. Im Winter beobachtet man Stieglitze nicht selten mit Erlen- oder Birkenzeisigen zusammen, wenn sich teilweise große Trupps auf Schwarzerlen und Hängebirken versammeln. Die größten Schwärme von teilweise zehntausenden Stieglitzen konnten wir auf Sonnenblumen- und Hanffeldern beobachten. Im Zuge des Klimawandels gibt es bei uns zunehmend überwinternde Stieglitze, die auch im Winter 2015/16 in Trupps zwischen 30 und 150 Individuen umherstreifen. Durch die Zunahme der Bio-Landwirtschaft haben sich die Stieglitzbestände im Raum Marburg erholt und sind sogar in den letzten Jahren wieder merklich angestiegen. Der größte Teil unserer Stieglitze zieht jedoch von etwa Anfang September bis Mitte November in südwestliche Richtung ab. Stieglitze ziehen in dichten und „unordentlichen“ Trupps in teilweise rasanter Geschwindigkeit mit plaudernden Zugrufen durch. Ihr buntes Gefieder kommt dann vor allem bei Sonnenschein voll zur Geltung, aber im Winter bilden die bunten Stieglitze regelrechte Farbkleckse an Futterhäuschen, in Gärten und Parks. Je strukturreicher diese von uns gestaltet werden, umso mehr Vögel finden sich ein. Hoffen wir, dass der farbenprächtige Stieglitz auch eine bunte Zukunft hat!