Wenn du gerne Vögel beobachtest, hast du vielleicht schon zwei kleine Vögel entdeckt, die oft an Baumstämmen unterwegs sind: den Kleiber und den Baumläufer. Auf den ersten Blick wirken sie ähnlich, doch ihr Verhalten, ihr Aussehen und ihre Bewegungsmuster unterscheiden sich deutlich. Wer die Unterschiede kennt, kann die beiden Arten leichter identifizieren – sei es im eigenen Garten oder bei einem Spaziergang im Wald.


Aussehen: Kräftig oder schlank?
Der Kleiber (Sitta europaea) hat einen kompakten, kräftigen Körper mit einem relativ großen Kopf und einem kurzen Schwanz. Sein blaugrauer Rücken, die warm-orangefarbene Unterseite und der markante schwarze Streifen um die Augen verleihen ihm ein unverwechselbares Aussehen. Sein kräftiger, spitzer Schnabel ist ideal, um Samen und Nüsse zu knacken.
Der Baumläufer (Certhia brachydactyla oder Certhia familiaris) ist deutlich schlanker und wirkt filigraner. Sein braun geflecktes Rückengefieder tarnt ihn perfekt vor der Baumrinde und macht ihn beinahe unsichtbar. Seine Unterseite ist hell und sein dünner, gebogener Schnabel ist darauf spezialisiert, Insekten aus Ritzen in der Rinde zu ziehen. Anders als der Kleiber besitzt er einen langen, steifen Schwanz, den er zur Stabilisierung beim Klettern nutzt.
Bewegung: Aufwärts oder abwärts?
Ein einfaches Erkennungsmerkmal der beiden Vögel ist ihre Fortbewegung. Der Baumläufer ist ein Spezialist im senkrechten Klettern – er beginnt unten am Baumstamm und bewegt sich spiralförmig nach oben, während er in der Rinde nach Insekten sucht. Ist er oben angekommen, fliegt er zu einem anderen Baum und startet erneut von unten.
Der Kleiber hingegen ist der einzige europäische Vogel, der sowohl aufwärts als auch kopfüber abwärts klettern kann. Diese Fähigkeit gibt ihm einen großen Vorteil bei der Nahrungssuche, da er auch an Stellen gelangt, die andere Vögel nicht erreichen. Zudem bewegt er sich oft seitwärts entlang von Ästen und zeigt dabei eine erstaunliche Beweglichkeit.


Lebensraum und Nestbau
Beide Arten leben in Wäldern und Parks, doch der Kleiber ist anpassungsfähiger und kommt auch in Gärten mit alten Bäumen vor. Er brütet in Baumhöhlen, oft in verlassenen Spechthöhlen, und passt den Eingang manchmal mit Lehm an, um ihn zu verkleinern und Fressfeinde fernzuhalten.
Der Baumläufer bevorzugt dichte Wälder mit altem Baumbestand, wo er in Rindenritzen oder hinter losen Rindenteilen sein Nest baut. Dabei formt er aus Zweigen, Moos und Federn eine kleine, schalenförmige Struktur.


Ernährung: Samen oder Insekten?
Beide Vögel sind geschickte Nahrungsbeschaffer, doch ihre Vorlieben unterscheiden sich. Der Kleiber ist ein opportunistischer Fresser: Während er im Sommer Insekten jagt, ernährt er sich im Winter hauptsächlich von Samen, Nüssen und sogar kleinen Obststücken. Typisch für ihn ist, dass er größere Samen oder Nüsse in Rindenspalten klemmt und mit seinem kräftigen Schnabel aufschlägt, um sie zu öffnen.
Der Baumläufer hingegen ist fast ausschließlich ein Insektenfresser. Mit seinem feinen Schnabel durchsucht er akribisch Baumrinden nach Spinnen, Larven und anderen kleinen Gliederfüßern. Aufgrund dieser spezialisierten Ernährungsweise ist er häufiger in alten, naturbelassenen Wäldern zu finden, wo es viele Bäume mit rissiger Rinde gibt.
Auch wenn Kleiber und Baumläufer beide an Bäumen leben, lassen sie sich anhand ihres Körperbaus, ihrer Bewegungsmuster und ihrer Ernährung leicht unterscheiden.
Der Kleiber ist kompakt, klettert in alle Richtungen und hat eine vielseitige Ernährung, während der Baumläufer schlank ist, sich nur aufwärts bewegt und fast ausschließlich Insekten frisst. Wer diese Merkmale kennt, kann schnell erkennen, welcher dieser beiden faszinierenden Vögel gerade am Baumstamm entlanghuscht.