Sturm - gefährlich für Vögel?

Veröffentlicht 13 Oct 2021
Aktualisiert 23 Apr 2025

Nein, meine jahrzehntelange Erfahrung lehrt mich etwas ganz anderes. Schließlich gibt es ja auch Sturmvögel, Sturmschwalben, Sturmtaucher, Sturmmöwen, wobei klar ist, dass diese Namensgebung schon seinen Grund hat. Vögel sind sehr anpassungsfähige Lebewesen, die im Laufe der Jahrmillionen gelernt haben, mit vielen speziellen Situationen zurechtzukommen. Grundsätzlich wäre die oben zitierte Aussage der „Expertin“ richtiger, wenn sie gesagt hätte, dass bei Sturm und Starkregen kein oder kaum ein Vogel am Himmel zu sehen ist. 

 

Viele Meeresvögel sind gut an starke Winde und auch Stürme angepasst, wenn sie tausende Kilometer über unsere Ozeane hinwegsegeln, denn wenn sie ermattet sind, können sie schlichtweg wassern. Wir wissen, dass vor allem Albatrosse, Sturmtaucher und Sturmvögel hervorragende Flieger sind. Viele Vögel sind aber in der Lage, gewaltigen Wirbelstürmen rechtzeitig und weiträumig auszuweichen, denn bei Taifunen, Hurrikanen und Tornados kann es zu massenhaften Todesfällen kommen, wenn Vögel in die heftigen Strudel hineingeraten. Viele Stürme, beispielsweise über dem Atlantik, bewirken regelmäßig Einflüge von Meeres-, Wat- und Wasservögeln, aber auch von vielen Singvögeln. 

Für amerikanische Vögel sind vor allem die Azoren, aber auch die Küsten Westeuropas, bei Ornithologen bekannt für aufregende Verdriftungen. Manchmal gelangen aber auch einzelne Meeresvögel ins tiefe Binnenland, wobei sie aber zumeist nicht überleben. Inzwischen wissen wir, dass Vögel den für uns Menschen nicht hörbaren Infraschall wahrnehmen können. Dieser wird oft hunderte von Kilometern und mehr von Wirbelstürmen ausgesendet, wodurch Vögel in die Lage versetzt werden, rechtzeitig auszuweichen, um nicht mit herannahenden Stürmen zu kollidieren. Diese Fähigkeit besitzen auch kleine Singvögel. Unsere Mauersegler können Schlechtwetterfronten ebenfalls weiträumig umfliegen. Schaffen sie das nicht rechtzeitig, so kehren sie zurück an ihren Brutplatz und verfallen tagelang in einen Starrezustand (Torpor) mit herabgesetzten Lebensfunktionen. So können sie den durch schlechtes Wetter bedingten Nahrungsmangel gut überstehen, denn wenn sich die Wetterlage wieder bessert, wachen sie aus ihrem Dämmerzustand auf und beginnen sofort mit den Nahrungsflügen. Diese Fähigkeit wurde u.a. auch bei Verwandten der Ziegenmelker und Schwalben beobachtet.

Manchmal gibt es im Herbst recht milde und oft trockene Südweststürme, die zu bodennahem Breitfrontzug führen. Dann fliegen viele Vögel niedrig über Baumspitzen, Häuser, Wiesen und Felder. Das ist beispielsweise bei Greifen wie Wespenbussard, Rot- und Schwarzmilan, den Weihen, Möwen, Limikolen, Saatkrähen und Dohlen, aber auch bei vielen Singvögeln, vor allem bei Buch- und Bergfinken, zu beobachten. 

Völlig neu für uns war indes ein gewaltiger Frühjahrssturm aus Südwesten Ende Februar 2002, als Kraniche sehr hoch und nicht mehr in Formation regelrecht nach NO „geschossen“ wurden. Dabei erreichten die Kraniche bis zu 200 km/h und mehr. Das haben wir nur einmal so extrem beobachtet und niemand von uns hätte gedacht, dass diese großen Vögel eine solche Wettersituation meistern würden.

Am Boden rastende Vögel stehen bei Sturm in Windrichtung dicht zusammen und harren aus. Pinguine können so selbst eisige Schneestürme überstehen. Viele Vögel suchen sich windgeschützte Buchten oder Schilfränder und manche verschwinden in Höhlen, Baumhöhlen, Nistkästen, unter Baumstubben, in dichten Hecken, im Zentrum von Wäldern sowie in Ortschaften.

Besonders beeindruckt bin ich aber immer, wenn ich unseren brütenden Weißstörchen zuschaue, wie sie Stürmen, Starkregen, aber auch großer Hitze trotzen. Allerdings kann sich bei längeren Regenperioden Wasser in den Horsten sammeln, das zum Auskühlen und damit zum Tod der Jungvögel führt. Extremwetterlagen können starke Verluste bei Vögeln hervorrufen, aber die Überlebensstrategien unserer geliebten Gefiederten sind so vielfältig und wirksam, dass wir uns nicht um sie sorgen müssen!